Wer hat Schuld? Radfahrer kollidiert mit Fußgänger an Bushaltestelle
Verfasst von Christian Schebitz am 3. Dezember 2016 in Verkehrsrecht
Bei einem Zusammenstoß von einer Radfahrerin mit einem Fußgänger zog sich erstere durch den Sturz eine Verletzung an der Lendenwirbelsäule zu und forderte daraufhin Schmerzensgeld und Schadensersatz von dem unaufmerksamen Passant.
Der Vorfall ereignete sich, als die Radfahrerin rechts an einer Bushaltestelle vorbeifuhr und zur gleichen Zeit dort ein Bus hielt, aus dem Fahrgäste ausstiegen. Die Fahrradfahrerin fuhr zwar vorschriftsmäßig auf dem Radweg, trotzdem musste vor dem Kammergericht Berlin geklärt werden, ob sie eine Mitschuld an dem Unfall trägt.
Gegenseitige Rücksicht ist im Straßenverkehr oberstes Gebot
Das zuständige Gericht beurteilte den Sachverhalt folgendermaßen: Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme sind die obersten Gebote im Straßenverkehr, die auch gelten, wenn jemand Vorfahrt hat oder denkt, im Recht zu sein. § 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) besagt, dass sich jeder so zu verhalten hat, dass kein anderer verletzt oder gefährdet wird. In bestimmten Situationen, wie zum Beispiel an einer Bushaltestelle, ist deswegen erhöhte Vorsicht geboten. Dies müssten auch Radfahrer auf einem Radweg beachten.
Der Fahrgast, der ohne auf den Fahrradverkehr zu achten, den Radweg betrat, hätte sich zwar nicht regelkonform verhalten, die Hauptschuld liege aber bei der Fahrradfahrerin. Das Kammergericht sprach ihr ein Mitverschulden von 80 Prozent zu.
An Bushaltestellen ist erhöhte Aufmerksamkeit Pflicht
Das Urteil begründete das Kammergericht damit, dass es die Pflicht der Radfahrerin war, sicherzustellen, dass die Fahrgäste aus dem haltenden Bus nicht gefährdet sind. Erst dann hätte sie an der Bushaltestelle vorbei fahren dürfen. In § 2 Abs. 2 StVO ist geregelt, dass für denjenigen, der rechts am Bus vorbeifährt, erhöhte Aufmerksamkeitspflicht besteht. Es ist lediglich Schrittgeschwindigkeit erlaubt, Fahrgäste dürfen nicht beim Aussteigen behindert werden und es darf keine Kollisionsgefahr mit Passanten bestehen. Je nach Umstand muss der Radfahrer absteigen und warten. Das Kammergericht entschied, dass die klagende Radfahrerin im vorliegenden Fall gegen diese Vorschriften verstoßen hat, wohingegen der Fahrgast nur unaufmerksam gewesen ist.
- Quelle: Kammergericht Berlin, Beschluss vom 15.01.2015 – 29 U 18/14