Kinder fordern Bekanntmachung ihres Samenspenders
Verfasst von Christian Schebitz am 20. September 2016 in Familienrecht
Jeder Mensch trägt das natürliche Bedürfnis in sich, zu erfahren, wo seine Wurzeln liegen und von wem er abstammt. Doch nicht immer lässt sich die Frage so einfach beantworten, insbesondere dann nicht, wenn das Kind durch eine anonyme Samenspende gezeugt worden ist. Hat es dennoch das Recht darauf, zu erfahren, wer sein leiblicher Vater ist oder verstößt dies gegen die Rechte des Samenspenders? Darüber hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden.
Generelles Auskunftsinteresse der Kinder
Der BGH kam zu dem Entschluss, dass ein durch eine künstliche Befruchtung entstandenes Kind von der Reproduktionsklinik generell Auskunft über seine Identität fordern kann. Hierfür muss das Kind kein bestimmtes Alter besitzen, denn auch die Eltern können als gesetzliche Vertreter diesen Auskunftsanspruch geltend machen, wenn dies dem Informationszweck des Kindes dient. Weiterhin muss dieses Informationsinteresse vor allen anderen rechtlichen Belangen, auch vor denen des Samenspenders, Vorrang haben.
Im konkreten Fall geht es um die Klägerinnen, welche 1997 bzw. 2002 geboren wurden und nun Auskunft über ihren biologischen Vater von der Reproduktionsklinik fordern. Diese soll ihnen die Identität des Samenspenders übermitteln. Die Mutter der beiden Klägerinnen wurde an der Klinik künstlich befruchtet und hat gemeinsam mit ihrem Ehemann, der gleichzeitig auch der rechtliche Vater der Kinder ist, jedoch eine notarielle Erklärung abgegeben, in der sie beide auf die Identitätsauskunft des Samenspenders verzichteten.
Der Auskunftsklage der Eltern wurde durch das Amtsgericht stattgegeben. Die beklagte Klinik hat dagegen Berufung eingelegt, woraufhin die Klage vom Landgericht abgewiesen wurde. Als Begründung dafür wurde angeführt, dass die Kinder erst mit der Vollendung des 16. Lebensjahres ihren Auskunftsanspruch geltend machen können. Dagegen legten die Klägerinnen erfolgreich Revision ein.
BGH gibt Klägerinnen Recht
Der Bundesgerichtshof widersprach dem Landgericht, denn ein Mindestalter der Kinder ist für den Informationszweck nicht erforderlich. Weiterhin muss die Auskunftserteilung für den jeweiligen Auskunftspflichtigen zumutbar sein. Es steht zum einen das Recht des Kindes auf die eigene Abstammung im Raum, das insbesondere für die Persönlichkeitsentfaltung von herausragender Bedeutung ist, zum anderen der Schutz des Samenspenders auf Anonymität. Generell überwiegt das Recht des Kindes. Auch der von den Eltern unterzeichnete Vertrag auf Auskunftsverzicht ist in diesem Fall nichtig. Nun hat das Landgericht im konkreten Fall festzustellen, ob die Eltern die Spenderauskunft zum Informationszweck der Kinder benötigen. Dabei muss es die rechtlichen Interessen der Parteien abwägen.
- Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 28. Januar 2015; AZ: XII ZR 201/13