Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg entschied gegen einen Landkreis, der die Bewerbung eines Mannes vermutlich aufgrund seiner Behinderung benachteiligt behandelt hatte.

Entschädigung für Benachteiligung?

Ein schwerbehinderter Mann (mit einer Behinderung von 100%) bewarb sich im Juli 2013 für den Posten eines Projektmanagers bei einem Landkreis. Daraufhin erhielt der Bewerber per E-Mail eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch. Dem Schreiben wurde jedoch hinzugefügt, dass der schwerbehinderte Bewerber im Vergleich zu seinen Mitstreitern weniger gute Chancen habe. Er solle sich daher überlegen, ob er die lange Anfahrt trotzdem in Kauf nehmen wolle. Daraufhin erhob der schwerbehinderte Mann Klage gegen den Landkreis und forderte eine Entschädigung für die entstandene Benachteiligung.

Bewerbungsgespräch nur Formalie

Das Arbeitsgericht Pforzheim entschied zugunsten des Klägers, da im vorliegenden Fall kein neutrales Bewerbungsverfahren stattgefunden habe. Dem Bewerber wurden bereits im Voraus des Vorstellungsgesprächs geringe Erfolgschancen eingeräumt, daher liege die Vermutung der Benachteiligung aufgrund seiner Behinderung nahe. Dem Kläger wurde eine Entschädigung in Höhe eines Bruttomonatsgehalts zugesprochen. Der Landkreis legte gegen dieses Urteil Berufung ein. Doch auch das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg sah den Vorwurf der Benachteiligung erfüllt und bestätigte dadurch die Entscheidung der Vorinstanz. Nach § 15 Abs. 2 AGG habe der Kläger einen Anspruch auf Entschädigung, da er in dem Bewerbungsverfahren im Vergleich zu einem anderen Bewerber in einer vergleichbaren Situation keine gleichwertige Chance erhalten habe. Das ihm angebotene Vorstellungsgespräch käme somit lediglich einer Formalie gleich.

Öffentlicher Arbeitgeber muss schwerbehinderte Bewerber grundsätzlich zum Vorstellungsgespräch einladen

Ein öffentlicher Arbeitgeber müsse nach § 82 Satz 2 SGB IX einen schwerbehinderten Bewerber grundsätzlich zu einem persönlichen Vorstellungsgespräch einladen, um diesem die Möglichkeit zu geben, seinen potenziellen Arbeitgeber von seinen Fähigkeiten zu überzeugen. Der Kläger wurde zwar zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen, doch durch die bereits im Voraus kommunizierte geringe Aussicht auf Erfolgschancen, habe der Kläger keine günstige Behandlung erfahren. Nur wenn schon aufgrund der Bewerbung ersichtlich sei, dass der Bewerber für die Stelle nicht geeignet wäre, dürfe ein Vorstellungsgespräch abgelehnt werden, doch das habe in dem vorliegenden Fall nicht zugetroffen.

 

  • Quelle: Pressemitteilung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 03.11.2014, AZ:1 Sa 13/14