Ein ostfriesisches Krankenhaus muss einem Jungen, dessen Hirnhautentzündung zu spät entdeckt wurde, Schmerzensgeld zahlen. Obwohl die Eltern bereits in der Nacht einen Pfleger alarmiert hatten, wurde das Kind erst Stunden später behandelt.

Ärzte müssen Fünfjährigem beide Unterschenkel amputieren

Ein damals fünfjähriger Junge wurde am 12. Mai 2011 mit Schüttelfrost und hohem Fieber in ein ostfriesisches Krankenhaus gebracht. Obwohl die diensthabenden Ärzte eine Infusionstherapie einleiteten, besserte sich der Zustand des Jungen nicht. Im Laufe der Nacht erbrach er sich mehrmals, so dass sich gegen vier Uhr morgens schließlich die Infusionsnadel löste. Die Mutter rief sofort einen Pfleger herbei, doch dieser hielt es nicht für notwendig etwas zu unternehmen. Erst gegen 7 Uhr meldete eine Krankenschwester dem zuständigen Arzt, dass sich am Körper des Kindes auffällige Hautverfärbungen gebildet hatten.

Dieser vermutete eine Hirnhautentzündung und leitete sofort eine Notfallversorgung ein. Nachdem eine Laboruntersuchung die Vermutung bestätigte, wurde der Junge in ein Hamburger Kinderkrankenhaus verlegt. Da sich zu dem Zeitpunkt bereits am ganzen Körper blauschwarze Gewebeschäden gebildet hatten, musste man ihm beide Unterschenkel amputieren. Nach zahlreichen Haut- und Muskeltransplantationen muss das Kind bis heute einen Ganzkörperkompressionsanzug mit Kopf- und Gesichtsmaske tragen, um die Bildung von Narben zu verhindern.

Handybilder beweisen groben Behandlungsfehler der Klinik

Der Junge, vertreten durch seine Eltern, verklagte das ostfriesische Krankenhaus auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 350.000 Euro. Die Hirnhautentzündung entdeckte man viel zu spät. Spätestens um vier Uhr nachts, als sich die Infusionsnadel löste, hätte der Pfleger einen Arzt rufen müssen. Die Hautverfärbungen seien zu diesem Zeitpunkt bereits klar erkennbar gewesen. Als Beweis zeigten die Eltern zwei Handyfotos vor, welche die Mutter in der Nacht aufgenommen hatte. Das Gericht ließ das Handy auswerten und konnte die Aussage der Eltern dadurch zweifelsfrei bestätigen. Dass nicht umgehend ein Arzt zurate gezogen wurde, sei ein grober Behandlungsfehler gewesen. Eine Berufung des Krankenhauses hatte keinen Erfolg.

Wie können Sie einen Behandlungsfehler nachweisen?

Um einen Behandlungsfehler nachzuweisen, müssen Sie in der Regel ein medizinisches Sachverständigengutachten einholen. Dieses soll klären, ob die Behandlung dem fachlichen Standard entsprochen hat und ob ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Fehler und dem Schaden besteht.

Sie können sich bei der Einholung eines Gutachtens an verschiedene Stellen wenden:

– Ihre Krankenkasse: Die gesetzlichen Krankenkassen sind verpflichtet, ihre Mitglieder bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen aus Behandlungsfehlern kostenlos zu unterstützen. Sie können bei Verdacht auf einen Fehler ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) beauftragen.

– Die Gutachterkommissionen oder Schlichtungsstellen der Landesärztekammern: Diese bieten eine außergerichtliche Möglichkeit zur Klärung von Streitfällen aus Behandlungsfehlern an. Sie erstellen ebenfalls Gutachten und versuchen eine gütliche Einigung zwischen den Parteien zu erzielen.

– Ein Gericht: Wenn Sie keine Einigung mit dem Behandler erzielen können oder wenn dieser Ihre Ansprüche bestreitet, können Sie ein gerichtliches Verfahren einleiten. Das Gericht wird dann einen unabhängigen Sachverständigen beauftragen, um den Fall zu begutachten.

Welche Folgen hat ein Behandlungsfehler?

Ein Behandlungsfehler kann schwerwiegende Folgen für die Gesundheit und das Wohlbefinden des Patienten haben. Er kann zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands, zu Komplikationen, zu dauerhaften Beeinträchtigungen oder sogar zum Tod führen.

Wenn ein Behandlungsfehler vorliegt, kann der Patient Ansprüche gegen den Behandler geltend machen. Diese können sich aus dem Zivilrecht, dem Sozialrecht oder dem Strafrecht ergeben.

Welche Rechte hat man als Betroffener?

Wenn Sie durch einen Behandlungsfehler einen Schaden erlitten haben, können Sie Schadensersatz und Schmerzensgeld vom Arzt oder dem Krankenhausträger verlangen. Dazu müssen Sie nachweisen, dass der Arzt seine Pflichten verletzt hat, dass diese Pflichtverletzung ursächlich für Ihren Schaden war und dass der Arzt den Fehler zu vertreten hat. Die Höhe des Schadensersatzes und des Schmerzensgeldes richtet sich nach dem Einzelfall und hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel dem Grad der Beeinträchtigung, dem Alter und dem Einkommen des Geschädigten.

Um Ihre Ansprüche durchzusetzen, sollten Sie sich an einen spezialisierten Rechtsanwalt wenden, der Sie berät und vertritt. Beachten Sie dabei, dass Ihre Ansprüche nach drei Jahren verjähren können, wenn Sie nicht rechtzeitig Klage erheben oder eine Verjährungsverzichterklärung abgeben.

Quelle:

Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 28.10.2015, AZ: 5 U 156/13

Das könnte Sie ebenfalls interessieren:

Zum Ohrlochstechen in die Apotheke?