Dass auch Ärzte Fehler machen können, musste die Patientin im vorliegenden Fall am eigenen Leib erfahren.

Patientin litt unter Kreislaufproblemen

Eine Frau – geboren 1986 – aus dem Kreis Minden-Lübbecke litt unter einer krankhaften Fettsucht sowie einem starken Nikotinmissbrauch. Bei einer Untersuchung im September 2001 stellte die behandelnde Hausärztin einen merklich erhöhten Blutdruck fest und wies die Patientin und ihre Mutter auf die Notwendigkeit einer Blutdruckkontrolle hin. Da der Blutdruck weiterhin erhöht blieb und die junge Patientin aufgrund von Kreislaufproblemen viermal ohnmächtig geworden war, stellte die Hausärztin eine Überweisung zum Internisten bzw. Kardiologen aus.

Nierenleiden zu spät erkannt

Zwar bot die Ärztin weitere Blutdruckkontrollen an, jedoch versäumte sie es die Blut- und Nierenwerte der jungen Frau zu untersuchen. Erst nach der Behandlung durch  die Hausärztin wurden bei der Patientin beidseitige Schrumpfnieren diagnostiziert. In Folge dieses Befunds musste sich die Frau 53 Operationen unterziehen und wurde schließlich dialysepflichtig. Daraufhin verklagte die Patientin ihre Hausärztin auf Schmerzensgeld in Höhe von 200.000 Euro. Durch die unzureichende Untersuchung der Ärztin sei ihr  Nierenleiden viel zu spät diagnostiziert worden.

Hausärztin hätte energischer vorgehen müssen

Das Oberlandesgericht Hamm entschied nach Prüfung des Falls durch medizinische Sachverständige zugunsten der Klägerin und sprach dieser das geforderte Schmerzensgeld in Höhe von 200.000 Euro zu. Die beklagte Hausärztin habe es versäumt, die Ursache für den Bluthochdruck der Patientin weiter abzuklären. Zudem hätte die Beklagte spätestens nach den Schwächeanfällen der Patientin energischer vorgehen und den Eltern der jungen Patientin die Dringlichkeit der Lage verdeutlichen müssen.

Befunderhebungsfehler verursachte zeitliche Verzögerung

Der grobe Befunderhebungsfehler der Beklagten habe zu einer zeitlichen Verzögerung der Behandlung geführt. Bei einer rechtzeitigen Diagnose hätte zumindest noch eine geringe Aussicht auf Heilung bestanden. Die Höhe des Schmerzensgeldes begründe sich aus dem langen Krankheitsverlauf, der erschwerten Behandlung und der dauerhaften Dialysepflicht der jungen Patientin.

Der Befunderhebungsfehler – Was ist das und was droht?

Was ist ein Befunderhebungsfehler?

Ein Befunderhebungsfehler ist ein Arztfehler, der darin besteht, dass der Arzt die medizinisch gebotenen Untersuchungen nicht oder nicht rechtzeitig durchführt, um seine Verdachtsdiagnose zu bestätigen oder auszuschließen. Ein solcher Fehler kann schwerwiegende Folgen für den Patienten haben, wenn dadurch eine angemessene Therapie verzögert oder verhindert wird.

Was droht bei einem Befunderhebungsfehler?

Die Rechtsfolgen eines Befunderhebungsfehlers hängen von der Schwere des Fehlers ab. Entscheidend ist, ob er zu einem Gesundheitsschaden des Patienten geführt hat. Grundsätzlich hat der Patient Anspruch auf Schadenersatz und Schmerzensgeld, wenn er nachweisen kann, dass der Befunderhebungsfehler für seinen Schaden ursächlich war. Dieser Nachweis kann jedoch schwierig sein. Häuf ist unklar, wie sich der Gesundheitszustand des Patienten ohne den Fehler entwickelt hätte.

In bestimmten Fällen kann es jedoch zu einer Beweislastumkehr kommen, so dass der Arzt beweisen muss, dass sein Fehler nicht ursächlich für den Schaden war. Dies gilt insbesondere bei qualifizierten Befunderhebungsfehlern, die dadurch gekennzeichnet sind, dass die unterlassene Befunderhebung mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis erbracht hätte, das zu einer sofortigen Therapieanpassung geführt hätte. Ein Beispiel hierfür wäre die Unterlassung einer Blutuntersuchung bei einem Patienten mit Verdacht auf eine Infektion.

Wie kann man einen Befunderhebungsfehler geltend machen?

Um einen Befunderhebungsfehler geltend zu machen, sollte der Patient sich an einen spezialisierten Fachanwalt für Medizinrecht wenden, der den medizinischen Sachverhalt prüfen und die Erfolgsaussichten einschätzen kann. Der Anwalt kann auch eine außergerichtliche Einigung mit dem Arzt oder seiner Haftpflichtversicherung anstreben oder eine Klage vor Gericht einreichen. Die Höhe der Entschädigung richtet sich nach dem Ausmaß des Schadens, der Dauer des Heilungsprozesses und möglichen Verdienstausfällen.

Quelle:

Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Hamm vom 03.07.2015, AZ: 26 U 104/14