Erbstreit vor Gericht
Verfasst von Christian Schebitz am 28. September 2015 in Erbrecht
Bei Erbschaften kommt es häufig zu heftigen Auseinandersetzungen und gerichtlichen Verhandlungen, daher ist eine strikte Regelung der Erbfolge äußerst wichtig. Doch Vorsicht: Nicht jedes niedergeschriebene Testament wird automatisch für wirksam erklärt.
Pflegekraft einer Verstorbenen klagt gegen deren Tochter als Alleinerbin
Im Jahr 2012 verstarb eine alte Dame, ein Jahr nach ihrem Ehemann. Zwar hatten die beiden Eheleute ihre Bestattung in einem Testament geregelt, doch dieses enthielt keinerlei Regelungen bezüglich der Erbfolge. Daraufhin wurde die Tochter des verstorbenen Ehepaares – gemäß der gesetzlichen Erbfolge – als Alleinerbin ernannt.
Eine Pflegekraft, die sowohl beruflich als auch privat mit der alten Dame Kontakt gehabt hatte, beanspruchte für sich jedoch ebenfalls das Anrecht auf das Erbe. Sie reichte vor dem Nachlassgericht ein Schreiben ein, welches die verstorbene Dame angeblich zwei Monate vor ihrem Ableben verfasst haben soll. Laut diesem Schreiben habe ihr die Verstorbene ihren vollständigen Besitz vermacht. Da das Nachlassgericht das vorgelegte Schreiben jedoch nicht als gültig anerkennen wollte, legte die Pflegekraft vor dem Oberlandesgericht Berufung ein.
Testament muss für Anerkennung eindeutig lesbar sein
Doch auch das Oberlandesgericht lehnte die Anerkennung des Schriftstücks ab. Der eingereichte Aufschrieb erfülle nicht die formalen Anforderungen an ein wirksames Testament. Aus einem solchen müsse der Wille des Verstorbenen stets in vollem Umfang, mittels einer eigenhändigen und unterschriebenen Erklärung, hervorgehen. Die Lesbarkeit der Niederschrift sei folglich maßgebend für die Anerkennung eines Testaments.
Trotz langjähriger Erfahrung bei der Erschließung schwer lesbarer Handschriften, war es dem Gericht nicht gelungen den Aufschrieb zweifelsfrei zu entziffern. Vor allem in der Mitte des Textes sei vieles nicht lesbar gewesen, sodass unklar bliebe was genau überhaupt vermacht werden solle. Aufgrund der Unleserlichkeit wurde das Schriftstück für ungültig und die Tochter der Verstorbenen – gemäß der gesetzlichen Erbfolge – zur Alleinerbin erklärt.
- Quelle: Pressemitteilung des Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgerichts vom 16.07.2015, AZ: 3 Wx 19/15