Anwalt ruft zur Selbstjustiz auf
Verfasst von Christian Schebitz am 2. Oktober 2015 in Allgemein
Selbstjustiz richtet sich gegen eine als unrechtmäßig empfundene Handlung und erfolgt meist dann, wenn sich der Betroffene von der Justiz im Stich gelassen fühlt. Das Vorgehen ist in der Regel rechtswidrig. Wenn jedoch ausgerechnet ein Rechtsanwalt seine Klientin zur Selbstjustiz auffordert, dann wird der Fall besonders heikel.
Streit unter Mitschülern eskaliert
Im Januar 2011 beauftragte eine Schülerin einen Rechtsanwalt, da sie von einem Mitschüler nach einer verbalen und körperlichen Auseinandersetzung in den Bauch getreten worden war. Die Staatsanwaltschaft stellte das Ermittlungsverfahren jedoch ein, da es der Strafverfolgung des Sachverhalts an öffentlichem Interesse fehle. Die Tat sei aufgrund jugendlicher Unreife entstanden, daher werde der Schuldgehalt des Täters lediglich als gering eingestuft.
Anwalt macht sich durch Aufruf zur Selbstjustiz strafbar
Der Rechtsanwalt informierte seine Mandantin daraufhin schriftlich über die Entscheidung der Staatsanwaltschaft. In seinem Brief hieß es unter anderem: „Warten Sie in Deutschland bei Körperverletzungsdelikten nicht auf Polizei und Staatsanwaltschaft. Die unternehmen gegen die Täter nur wenig […]. Führen Sie oder beauftragen Sie stattdessen jemanden, der – gemäß der biblischen Weisheit Auge um Auge, Zahn um Zahn – selbst ein “robustes Gespräch” mit dem Täter führt.” Aufgrund dieses Schreibens wurde dem Anwalt ein Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot gemäß § 43 a Abs. 3 BRAO vorgeworfen.
Das Anwaltsgericht Köln warf dem Angeklagten vor, seiner Mandantin zur Selbstjustiz geraten und sie damit zu strafrechtlich relevanten Verhalten aufgefordert zu haben. Dabei hätte er nicht davon ausgehen können, dass seine Klientin seinen Rat nicht befolgen würde. Weiterhin könnten seine abfälligen Äußerungen über die Strafverfolgungsbehörde das Vertrauen der Mandantin in die deutsche Rechtsordnung zerstören. Der Rechtsanwalt erhielt einen Verweis und musste eine Geldbuße in Höhe von 500 Euro bezahlen.
- Quelle: Pressemitteilung des Anwaltsgerichts Köln vom 25.08.2014, AZ: 10 EV 113/12